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Kurzer Bericht über eine nicht alltägliche Reise

Lesedauer ca. 10 Minuten

Zum Jahreswechsel 2018/2019 haben wir in der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“, die mein Mann seit der Studienzeit abonniert hat, das Angebot für eine ganz besondere Reise entdeckt. Die Beschreibung hörte sich so interessant an, dass wir uns nach wenigen Nächten „drüber schlafen“ entschlossen, uns dafür anzumelden – und das war auch höchste Zeit, denn es gab nur noch wenige freie Plätze. Spätestens als wir das Programm zugeschickt bekamen, war uns klar, dass diese wissenschaftlich (in erster Linie archäologisch) ausgerichtete Reise kein Erholungsurlaub werden würde.

Am Sonntag, 16.06.2019, begann unsere ca. 27-stündige Anreise über Frankfurt und Madrid gen Westen über den Atlantik nach Lima, der Hauptstadt Perus, wo wir am 17. Juni, morgens um 6 Uhr Ortszeit ankamen. Leider liegt die Stadt im Winter unter einer durch den Humboldtstrom bedingten Hochnebelschicht, die die Sonne etwa acht Monate lang kaum durchkommen lässt.  Bei Sonnenschein muss diese Stadt wirklich schön sein – ein wenig ließ sich davon erahnen.

Während der 12 Tage in Peru hat Markus Reindel, Professor für Archäologie, unsere Gruppe begleitet. Gleich am Ankunftstag stand der erste Museumsbesuch mit Vortrag von Prof. Reindel über die Vor-Inka-Kulturen auf dem Programm.

Bereits am nächsten Tag haben wir Lima verlassen und sind auf der Pan Americana gen Süden gefahren. Unsere nächsten Stationen waren der eindrucksvolle Paracas-Nationalpark mit seinen Sandwüsten und Steilküsten, die tierreichen Ballestas-Inseln und die wunderschöne Oase Huacachina. Schließlich fuhren wir weiter nach Nazca. Dort haben wir die große Ebene mit den berühmten Linien mit kleinen einmotorigen Propellermaschinen überflogen – ein unglaubliches Erlebnis. Was uns bis dahin nicht bekannt war: die deutsche Mathematikerin Maria Reiche (1903 – 1998) hat die Nazca-Linien 40 Jahre lang akribisch untersucht, Zeichnungen angefertigt und Abhandlungen verfasst. Sie ist die Linien sogar zu Fuß abgelaufen. Und sie hat sich bei der UNESCO vehement dafür eingesetzt, dass die Nazca-Ebene mit ihren Linien zum Weltkulturerbe erklärt wird. Dass wir die Linien heute noch bewundern können, zeigt, dass Maria Reiches Bemühungen von Erfolg gekrönt waren.

Prof. Reindel hat uns unterwegs regelmäßig und ausführlich mit Informationen über die frühen Kulturen Perus (u. a. Chavin-, Paracas- oder Huari-Kultur) versorgt und uns durch die entsprechenden Museen und Ausgrabungsstätten geführt.

Dank ihm konnten wir auch Ausgrabungen besuchen, die (noch) nicht für Besucher zugänglich sind und den Archäologen und Ausgräbern bei der Arbeit zuschauen.

Ein weiteres Highlight der Reise war der Besuch der Inka-Stätte auf dem Machu Picchu. Wir hatten diese Anlage aus dem 15. Jh. zwar schon auf Fotos und in Dokumentationen im Fernsehen gesehen, aber wirklich selbst dort zu sein, war schon sensationell.

Das Foto zeigt übrigens den Hauptplatz der hübschen Kleinstadt Aguas Calientes, die am Fuß des   Machu Picchu liegt und nur auf dem Schienenweg erreichbar ist, eine wunderschöne Strecke entlang des Flusses Urubamba. Vom Bahnhof der Stadt fahren dann Shuttle-Busse auf den Machu Picchu hinauf.

Nicht weit davon entfernt, in 3.400 m Höhe, liegt Cusco, die historische Hauptstadt von Peru, wo wir uns rechtzeitig zur Winter-sonnenwendfeier „Inti Raymi“ aufgehalten haben. Es ist das wichtigste Fest der Inkas (eigentlich heißt es „Quechuas“), das zu Ehren der Sonne gefeiert wird. 1537 wurde es durch die spanischen Eroberer verboten und 1944 wiederbelebt. Dieses Fest war für uns ein ganz fantastisches und unvergessliches Erlebnis.

Nach 12 ereignisreichen Tagen im faszinierenden und landschaftlich wunderschönen Peru mit zahlreichen informativen Vorträgen und Museumsbesuchen, sind wir Ende Juni weiter nach Chile geflogen, wo wir sechs Tage verbracht haben. Dort haben wir natürlich die europäisch geprägte Hauptstadt Santiago besucht sowie einige Museen und das „Valle del Encanto“ mit seinen zahlreichen ca. 4.000 Jahre alten Petroglyphen. Dieses Tal wurde 1973 zum archäologischen Denkmal und Weltkulturerbe erklärt.

Besucht haben wir außerdem den Badeort La Serena, dessen Altstadt für ihre Bauten aus der Kolonialzeit berühmt ist sowie die benachbarte Hafenstadt Coquimbo mit ihrem Fischereihafen.

Die Stadt Valparaiso mit ihrem sehenswerten historischen Stadtkern und den Schrägaufzügen, die um 1900 konstruiert wurden – und mit denen wir auch gefahren sind – durfte im    Besuchsprogramm natürlich nicht fehlen.

Aber das Wichtigste bei diesem letzten Abschnitt unserer Reise war eigentlich die Astronomie. Deshalb war hier in Chile unser wissenschaftlicher Begleiter auch ein Astronom: Dr. Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut in Heidelberg.

Für den 30. Juni war eine Himmelsbeobachtung geplant, für die wir ein paar Stunden in der Atacama auf Isomatten und mit warmen Decken ausgestattet verbringen sollten – so jedenfalls der Plan. Am Abend vorher haben wir deshalb auch einen vorbereitenden Vortrag von Dr. Jäger gehört. Nach dem Abendessen sind wir dann in freudiger Erwartung zu unserer Himmelsbeobachtung aufgebrochen.

Wie wir dann erfuhren, war der ursprünglich vorgesehene Platz jetzt leider abgesperrt – aus welchen Gründen war nicht bekannt. Dr. Jäger und das Organisationsteam mussten also sehr kurzfristig improvisieren und auf eine andere Stelle ausweichen. Diese – am Rand der Wüste gelegen – erwies sich als relativ kleiner und unebener Schotterplatz zwischen einem See und einer relativ viel befahrenen Straße – also keine guten Beobachtungsbedingungen. Die Enttäuschung bei allen war verständlicherweise groß.

Die Milchstraße war zwar recht eindrucksvoll, aber die hatten wir vor ein paar Jahren von Dänemark aus schon sehr viel schöner gesehen. Damals hatten wir Mühe, in der Vielzahl von Sternen den Großen Wagen zu finden. So ein spektakulärer Anblick ist uns hier auf der Südhalbkugel leider versagt geblieben.

Immerhin konnten wir u. a. die Magellanschen Wolken ausmachen und das Kreuz des Südens sowie das Sternbild Skorpion in seiner ganzen Schönheit sehen. Der Planet Jupiter stand gerade im Zenit, der Saturn nur wenige Grad darunter – in dieser Höhe sind Planeten bei uns nie zu sehen. Nach nur knapp zwei Stunden sind wir dann ins Hotel zurückgekehrt.

Am Abend des 1. Juli gab es wieder einen Vortrag von Dr. Jäger, der uns auf ein ganz besonderes Ereignis vorbereiten sollte. Am nächsten Tag erwartete uns nämlich das „Sahne-Häubchen“ auf dieser besonderen Reise: eine totale Sonnenfinsternis! Und die würden wir nicht irgendwo beobachten, sondern auf La Silla, dem Standort der europäischen  Südsternwarte, die auf 2.400 m Höhe liegt. Eintausend Besucher hatte die ESO für diesen Tag auf ihrem Gelände zugelassen. Und dank der frühzeitigen Anmeldung durch die Organisatoren dieser Reise gehörten wir dazu.

Dienstag, 2. Juli 2019 – SOFI-Tag

Da uns empfohlen wurde, möglichst spätestens um 8 Uhr am Busshuttle-Platz von La Silla zu sein, brechen wir bereits um 5 Uhr auf (aufstehen um 3:45 Uhr, Frühstück um 4:30 Uhr).

La Silla liegt in der Atacama, mit 1 mm Niederschlag pro Jahr die trockenste Wüste der Erde. Das bedeutet, es herrschen hier ideale Bedingungen für astronomische Beobachtungen.

Nach ca. drei Stunden Fahrt kommen wir am Fuß des La Silla an – wenigstens fast, denn erstmal stehen wir in einem kleinen Stau. Da sind wohl noch mehr der Empfehlung gefolgt. Bis wir beim Parkplatz und dann durch die Kontrollen sind, ist es schon fast 10 Uhr. Aber wir bekommen alle eine schöne dunkelblaue Wasserflasche aus Metall (die Mitnahme von Plastikflaschen ist nicht erlaubt) mit „ESO“-Aufdruck und dem heutigen Datum – ein nettes Andenken. Dazu gibt es eine SOFI-Brille, Sonnencreme und Gutscheine für einen Snack und Kaffee bzw. Tee.

Als wir schließlich mit dem Shuttle-Bus oben ankommen, ist es bereits 10:45 Uhr. Wir machen einen Rundgang über das Gelände, wobei uns Dr. Jäger etwas über die verschiedenen Teleskope erzählt – derzeit sind zehn in Betrieb. Das Leonhard-Euler-Teleskop z. B. sucht nach Exoplaneten. So viele Kuppeln auf einem Haufen zu sehen, ist schon beeindruckend.

Dann suchen mein Mann und ich uns einen Platz, wo wir unser Stativ mit dem Foto-Apparat aufstellen können. Viele gute Plätze sind zwar schon belegt, aber noch haben wir eine gewisse Wahl. Schließlich lassen wir uns in der Nähe des Besucherzeltes nieder, der Ausblick von dort ist fantastisch. Nicht weit von uns steht eine Parabolantenne: ein schwedisches Submillimeter-Teleskop, das derzeit außer Betrieb ist. Aber allein der Anblick dieser großen „Schüssel“ hat schon was.

Jetzt will ich mir das NTT (New Technology Telescope) mit dem 3,6 m-Spiegel anschauen, da es der Prototyp des VLT auf dem Cerro Paranal ist, und mache mich gegen 12:30 Uhr auf den Weg. Wie ich dort erfahre, beginnt gerade die Mittagspause, und man sagt mir, ich möge in etwa einer Stunde wiederkommen. Aber auch dann haben die an einer Besichtigung interessierten Leute keine Chance: der chilenische Präsident ist vor kurzem per Hubschrauber eingetroffen und wird jeden Moment beim NTT erwartet. Wir mögen doch bitte um 15 Uhr wiederkommen. Da aber die Sonnenfinsternis kurz vor 15:30 Uhr beginnt, mache ich mich kein drittes Mal auf den Weg. (Später höre ich, dass wegen der SOFI alle Teleskope ab 15 Uhr für Besucher geschlossen sind.)

Der Weg, an dem wir stehen und die kleine Anhöhe daneben haben sich inzwischen zusehends gefüllt, und der Wind, der am Vormittag noch recht kräftig blies, hat jetzt glücklicherweise nachgelassen.

Ca. 15:25 Uhr haben alle ihre SOFI-Brillen auf – wir auch, aber noch sieht die Sonne scheinbar aus wie immer. Erst bei ganz genauem Hinsehen bemerkt man, dass unten links schon ein winziges Stückchen fehlt. Das kosmische Schattenspiel beginnt, und es herrschen perfekte Bedingungen: klarer Himmel, angenehme Temperatur (ca. 18°C) und etwa 20% Luftfeuchtigkeit. Kurz vor dem 2. Kontakt – die umliegende Wüstenlandschaft wirkt jetzt in dem fahlen Licht fast gespenstisch – herrscht atemlose Stille auf dem Berg. Die totale Phase beginnt, und für einen Moment bricht ringsum Jubel aus. Ein atemberaubendes Naturschauspiel!

                                       (Foto mit Smartphone-Kamera)

Alles ist wunderbar zu sehen: Perlschnur-Phänomen, Corona, Protuberanzen, Diamantring …. wir erleben nach 1999 unsere zweite totale Sonnenfinsternis, die zwar mit knapp zwei Minuten recht kurz ausfällt, aber dennoch fantastisch ist, ein unvergessliches Erlebnis – gerade auch an diesem besonderen Ort!

Wir genießen die Atmosphäre hier oben bis zum Schluss und bleiben noch bis zum Sonnenuntergang gegen 18:20 Uhr – länger dürfen Besucher nicht bleiben, und es wird jetzt auch empfindlich kalt. Dann geht es mit den kleinen Shuttle-Bussen runter zum Parkplatz.

Nach einer knappen halben Stunde Fahrt in unserem angenehm warmen Reisebus lässt Dr. Jäger anhalten, damit wir hier draußen in der Wüste, fernab von allen störenden Lichtquellen noch einmal den südlichen Sternenhimmel genießen können. Er macht uns auch auf das Zodiakallicht aufmerksam, das – wie er selbst etwas erstaunt feststellt – ungewöhnlich hoch reicht.

Kurz nach der Weiterfahrt erreichen wir die Autobahn und kommen in einen Mega-Stau von etwa 80 km Länge. Tausende SOFI-Touristen aus La Serena und Santiago hatten sich wegen des dort bedeckten Himmels auf den Weg Richtung Norden gemacht. Und jetzt wollten sie alle – gleichzeitig, wie es schien – wieder nach Hause. Für die Fahrt zu unserem Hotel in Ovalle haben wir ganze sieben Stunden gebraucht, vier mehr als für die Hinfahrt (Ankunft im Hotel ca. 2:30 Uhr). Aber was soll’s – wir haben die Sonnenfinsternis gesehen! Dafür nimmt man so manches in Kauf.

Nach weiteren Besichtigungen und Museumsbesuchen fliegen wir am frühen Abend des 4. Juli von Santiago aus via Madrid zurück nach Frankfurt.

Fazit der Reise: es waren recht anstrengende 20 Tage und die Zeit zwischen schlafen gehen und aufstehen meist recht kurz. Aber wir möchten keinen Tag missen. Wir konnten viele äußerst schmackhafte landestypische Speisen (z. B. Alpaka-Steak) und Getränke (u. a. den peruanischen Nationalcocktail „Pisco Sour“) genießen, haben viele nette Menschen kennengelernt, wunderschöne Landschaften, eine vielfältige Tierwelt und interessante Städte und Ausgrabungsstätten gesehen und dabei u. a. viel über die frühgeschichtlichen Kulturen in Peru und Chile erfahren. Und wir durften eine Sonnenfinsternis erleben – das Highlight schlechthin.

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P. S.: „Kurzer Bericht“ deshalb, weil ein ausführlicher Bericht den fünffachen Umfang hätte.

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