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Das Sternbild Caelum – Grabstichel

Herkunft, Mythologie, Beobachtungshinweise

zusammengestellt von E.-Günter Bröckels

1 Der Name

Diese Sternbildbeschreibung befasst sich mit einem weiteren neuzeitlichen Sternbild, welches am südlichen Sternenhimmel von dem französischen Astronomen Nicolas Louis de Lacaille auf einer ersten Karte des südlichen Sternenhimmels im Jahre 1756 angesiedelt wurde. Er belegte einige Regionen des südlichen Sternhimmels, die noch nicht benannt waren, mit Sternbildnamen. Im Gegensatz zu den klassischen Sternbildern, die nach mythologischen Gestalten und Gegenständen benannt sind, trugen seine Konstellationen meist die Namen von technischen Errungenschaften und Erfindungen seiner Zeit. Der ursprüngliche Name lautete Caela Sculptoris (die Grabstichel des Bildhauers). Der Grabstichel hat also nichts mit Gräbern, Friedhöfen und Gartenarbeit zu tun, sondern stellt ein Gravierwerkzeug dar, das früher, und in Künstlerkreisen bis in die heutige Zeit, zur Anfertigung von Kupfer- oder Stahlstichen oder auch zum Ziselieren von Gegenständen verwendet wurde bzw. wird. Zu Lacailles Zeiten hatte das Werkzeug, welches auch unter den Bezeichnungen Stichel, Zeiger, Burin, Sculper oder Scorper geführt wurde, außerdem enorme Bedeutung beim Erstellen von Druckplatten erlangt: Denn bildliche Darstellungen waren für wissenschaftliche Buchtitel und zur besseren Verständlichmachung von Texten von großer Bedeutung.

Bild 01: Verschiedene Grabstichel . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .Bild 02: Grabstichel im Detail

Der Grabstichel hat einen hölzernen Handgriff und wird fast immer unmittelbar von Hand bewegt und nicht mit einem Hammer geschlagen. Der Handgriff ist in der Regel birnenförmig ausgeprägt, um einen festen Griff zu ermöglichen. Das der Schneide zugewandte Ende des Griffs ist abgeplattet, damit die Finger der Vorwärts- oder Abwärtsbewegung nicht hinderlich sind. Die Schneide ist typischerweise zwischen 8 und 11 cm lang und aus gehärtetem Stahl. Der Querschnitt ist je nach Anwendung unterschiedlich ausgeprägt. Die scharfe Klinge besteht aus der Kappe oder Schild genannt und der nach unten gekehrten Bahn, die mit der Kappe zusammentrifft und dadurch die Schneide ergibt.

Mit Entwicklung des Kupfer-, Stahl- und Holzstichs wurde der Grabstichel schnell zu einem bevorzugten Werkzeug für Künstler und sonstige Bearbeiter dieser Werkstoffe. Er gehörte zur Standardausstattung spätmittelalterlicher Werkstätten und ist auch heute noch in Gold- und Silberschmieden zu finden.

In der Frühen Neuzeit gehörte der Stichel bei Inquisitions- und Hexenprozessen zum Instrumentarium der „peinlichen Befragung“; ob auch ein Einsatz als allgemeines Folterinstrument erfolgte, ist nicht erwiesen; in mehreren Fällen ist in Prozessakten jedoch überliefert, dass die Angeklagten erst nach Androhung des „Stichelns“ Geständnisse abgaben.

Auch erhofften sich die die Verbreitung solcher Darstellungen von Folter und Hinrichtungen beauftragenden jeweiligen Städte eine abschreckende Wirkung auf die Zuwanderung Krimineller.

Eine authentische Darstellung von Foltermethoden findet sich in der österreichischen Constitutio Criminalis Theresiana, der Peinlichen Gerichtsordnung der Kaiserin Maria Theresia von 1769. Darin werden in zwei Anhängen die Foltergeräte und -methoden mit pedantisch genauen Gebrauchsanweisungen so dargestellt, wie sie bis dahin in Wien und Prag gebräuchlich waren.

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Bild 03: Peinliche Gerichtsordnung Österreichs zu Zeiten Maria Theresias

Für die verschiedenen Arbeiten sind früher verschiedene Bezeichnungen üblich gewesen oder zum Teil heute noch üblich: der Grabstichel im engeren Sinne wurde ausschließlich für Kupfersticharbeiten benutzt, der Messerzeiger oder Onglette ist im Querschnitt scharf keilförmig, die Schneide des Keils ist die Bahn und bildet mit der dreieckigen Kappe eine sehr scharfe Spitze. Weitere Ausführungen sind Spitzstichel, Flachstichel, dreieckiger Stichel, Boltstichel, Rundstichel, Ovaler Stichel und Fadenstichel.

2 Das Sternbild

Caelum     Genitiv: Caeli     Abk.: Cae     dt.: Grabstichel

Der Grabstichel ist ein unauffälliges Sternbild südlich des Hasen (Lepus) und östlich des ausgedehnten Eridanus. Vier Sterne bilden eine gekrümmte Linie. Nur zwei Sterne sind heller als die 5. Größenklasse. Von Deutschland aus kann nur der nördlichste Teil des Sternbildes im Dezember bei klarer Horizontsicht gesehen werden. Sein nur 185 Quadratgrad großes Himmelsareal erstreckt sich in RA von 4h19m32s bis 5h05m01s und in Dec von -48°44´18“ bis hinauf nach -27°01`30“ und ist somit erst ab 41° nördlicher Breite südwärts vollständig sichtbar. Es wird umgeben von Norden im Uhrzeigersinn von den Sternbildern Lepus, Eridanus, Horologium, Dorado, Pictor und Columba.

2.1 Die Sterne

Das Sternbild Caelum enthält aufgrund seiner südlichen Lage keine Sterne mit Flamsteed-Bezeichnungen, da John Flamsteed nur von London bzw. Greenwich aus beobachtete und katalogisierte. Weil es ein neuzeitliches und zudem aus lichtschwachen Sternen  < 4. Größe bestehendes Sternbild ist, haben die Sterne auch keine historischen Eigennamen.

Bild 04: Das Sternbild Caela Scalptoris nach Abbé de Lacaille

α Cae  ist ein 4m45 heller Zwergstern der Spektralklasse F2V mit einem blauweißen Licht von einer rund 7000 K heißen Sternoberfläche, welches von der Position RA 04h40m34s / Dec -41°51´49“ nach neueren Untersuchungen aus 2007 über eine Entfernung von 65,67 Lichtjahren zu uns kommt. In einem Abstand von 6,6 Bogensekunden vom Hauptstern befindet sich ein lichtschwacher brauner Zwerg als Begleiter, welcher der 13. Größenklasse und der Spektralklasse M0.5V zugehörig ist. Um das System zu beobachten benötigt man ein mittleres Teleskop.

β Cae ist ein 5m04 heller Unterriese der Spektralklasse F3V. Sein bläulich-weißes Licht kommt von der Position RA 04h42m03s / Dec -37°08´39“ über ca. 94 Lichtjahre zu uns.  Beta Caeli markiert im Sternbild etwa die Verbindungsstelle von Griffstück und Stichel.

γ Cae ist ein 4m55 heller roter Riese der Spektralklasse K2III in ca. 186 Lichtjahren Entfernung. Gamma Caeli ist der nördlichste der helleren Sterne in diesem Sternbild und ein optischer Doppelstern. γ1 Cae wird scheinbar in 2“9 Abstand von γ2 Cae, einem 6m32 hellen Stern der Spektralklasse F1II begleitet. In Wirklichkeit steht dieser Stern 321 Lichtjahre tief im Raum. γ2 Cae ist selbst ein Binärsystem mit einem 8m1 hellen Begleiter. Wenn man den 2m6 hellen Stern Alpha im Nachbarsternbild Columba  erkennen kann, kann man versuchen, Gamma Caeli 7,3° östlich davon aufzuspüren. Er markiert im Sternbild das birnenförmige Griffstück.

δ Cae markiert als südlichster der helleren Sterne im Sternbild die Stichelspitze mit einer noch mit bloßem Auge wahrnehmbaren Helligkeit von 5m07. Sein blaues Licht kommt von der 21.000 K heißen Oberfläche eines B3V-Unterriesen von der Position RA 04h30m50,1s / Dec -44°57´13,5“ über eine Distanz von 700 +/- 30 Lichtjahren zu uns.

RR Caeli ist ein Doppelstern im Sternbild Caelum auf der Position RA 04h21m05s / Dec -48°39´07“. Er ist ungefähr 66 Lichtjahre von der Erde entfernt und wurde erstmals 1955 von Jacob Luyten mit dem Namen LFT 349 bezeichnet. Er wurde 1979 als Bedeckungsveränderlicher identifiziert und weist eine Grundgröße von 14m36 auf, die alle 7,2 Stunden für ein Intervall von etwa 10 Minuten, aufgrund der totalen Bedeckung des helleren Sterns durch den schwächeren verursacht wird. Seine Variabilität in der Helligkeit führte dazu, dass er im Jahr 1984 die Sternbezeichnung RR Caeli erhielt. Dieses Sternensystem besteht aus einem roten Zwerg des Spektraltyps M6 mit 3100 K Oberflächentemperatur und einem weißen 7500 K heißen Zwerg, die sich alle 7,2 Stunden umkreisen. Der rote Zwerg hat nur 18% der Sonnenmasse, während der weiße Zwerg 44% Sonnenmasse hat.  Der rote Zwerg befindet sich in einer gebundenen Rotation mit dem weißen Zwerg, was bedeutet, dass es dem schwereren Stern immer dieselbe Seite zeigt wie zum Beispiel unser Mond der Erde. Das System ist auch ein Post-Common-Envelope-Binärsystem, denn der rote Zwergstern transferiert Material auf den Weißen Zwerg. In ungefähr 9-20 Milliarden Jahren wird RR Caeli aufgrund der allmählichen Verkürzung der Periode wahrscheinlich zu einem kataklysmischen variablen Stern werden, was zu einer zunehmenden Übertragung von Wasserstoff an die Oberfläche des Weißen Zwergs führt.

2.2 Deep-Sky-Objekte

NGC 1679,  eine mit 11m4 scheinbarer Helligkeit leuchtende Balkenspiralgalaxie, ist das einzige „bekanntere“ Deep-Sky-Objekt im Sternbild Grabstichel. Sie wurde im Jahre 1835 am 18. November von John Herschel auf der Position RA 04h49m552 / Dec -31°57´53“ entdeckt. Sie hat eine Winkelausdehnung von 2,7´x 2,0´ bei einer Entfernung, für die das Licht bis zu uns 49 Millionen Jahre braucht. Vom Hubble-Teleskop gibt es eine Aufnahme dieser Balkenspiralgalaxie. NGC 1679 liegt ca. 4,5° nordwestlich von Gamma Caeli.

Bild 05: NGC 1679

2.3 Sonstiges

Bild 06: Karte des Sternbilds Grabstichel

Literaturhinweise:

  • Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften       O. Lueger
    • Folterwerkzeuge und ihre Anwendung 1769      L. A. Veitmeyer
    • Internet z.B. Wiktionary                                                   div. Autoren
    • Internet z.B. Wikipedia                                                      div. Autoren
    • www.astronomie.de                                                             div. Autoren
    • Sternbilder von A bis Z                                                       A. Rükl
    • Buch der Sterne                                                                      Guinness

Quellenangaben zu den Abbildungen:

  • Bild 01: kein Nachweis, Internet Verkaufsangebot bei ebay
  • Bild 02: Burin Sculper  wikipedia.org/wiki/Grabstichel (Werkzeug)  Postelwijn
  • Bild 03: wikipedia.org/wiki/Constitutio_Criminalis_Theresiana
  • Bild 04: de.wiktionary.org Caelum
  • Bild 05: cgs.obs.carnegiescience.edu NGC 1679
  • Bild 06: Wikimedia Commons, the free media repository Caelum constellation map.png

Die Serie der Sternbildbeschreibungen wird fortgesetzt.