Herkunft – Mythologie – Beobachtungshinweise
zusammengestellt von E.-Günter Bröckels
1 Der Name
„Fliegen sind doch recht nervige Viecher, die nicht nur den meisten Menschen sondern auch so manchem Tier echt auf den Keks gehen. Und so´n Biest ist als Sternbild am Himmel?“ Wie oft habe ich diesen Satz oder ähnliche Äußerungen gehört, wenn ich das Sternbild Musca mit seinem deutschen Namen – Fliege – bei einem meiner Vorträge an der Sternwarte zu Lübeck erwähnte. Die uns bekannte Stubenfliege (Musca domestica) ist eine Art aus der Gattung Musca, die wiederum zur Familie der Echten Fliegen (Muscidae) gehört.
Es gab eine Zeit, da existierten zwei Sternkonstellationen mit dem Namen Fliege.
Die nördliche Fliege, lateinisch musca borealis, war kein Sternbild des Nordhimmels sondern eine kleine Sterngruppe im östlichen Teil des offiziellen Sternbildes Widder angrenzend an die Sternbilder Dreieck und Perseus, ähnlich in der Art, wie die Plejaden dem Sternbild Stier angehören. Hauptstern war der Stern 41 Arietis mit dem Eigennamen Bharani. Jacob Bartsch, Schwiegersohn von Johannes Kepler, benannte 1624 diese Sternengruppe aber in Vespa (Vespa) = Wespe um, weil Johann Bayer 1603 auch eine Biene (Biene) = Apis am Südhimmel eingeführt hatte, die heutige Fliege. Wie aus der Wespe eine nördliche Fliege wurde, ist nicht näher beschrieben. Sie erscheint jedenfalls 1687 bei Johannes Hevelius in dessen Atlas. Der Franzose Ignace-Gaston Pardies bildete aus denselben Sternen im Jahr 1674 das Sternbild Lilium, die französische Lilie, welches sich aber nicht behaupten konnte. Nach den 1782 erschienenen Atlanten von Johann Elert Bodes tritt die nördliche Fliege aber nicht mehr in Erscheinung.
Die südliche Fliege existiert erst seit 1598, damals noch unter der Bezeichnung „de Bij“. 1595 bis 1597 vermaßen der niederländische Navigator Pieter Dierkzoon Keyser und der Kartograph Frederick de Houtman auf ihrer Fahrt zu den Gewürzinseln, heute Indonesien, im Auftrag von Peter Plantius den südlichen Sternenhimmel, damit dieser genauere Daten für seine Sternkarten erhalte. Dabei führten die Beiden 12 neue Sternbilder ein, darunter das Sternbild Apis = Biene.
1598 erscheint das Sternbild somit als Biene auf Sternkarten von Petrus Plancius, das 1600 von Jodocus Hondius auf einem von ihm veröffentlichten Himmelsglobus übernommen wurde. 1602/03 erschien die Biene auch auf Globen von Willem Janszoon Blaeu. Im Jahr 1629 gelang es diesem, zahlreiche Druckplatten aus dem Nachlass von Jodocus Hondius zu erwerben. Diese dienten ihm zur Herausgabe eines eigenen Atlas‘. Von den anfänglich 60 Karten stammten 37 aus dem Hondius-Nachlass. Auf allen Druckplatten ließ er den Namen Hondius durch den Namen Blaeu ersetzen.
1603 übernimmt Johann Bayer das südliche Sternbild Apis in seine Uranometria. Hier deutet er die Biene in religiösem Kontext als ein Insekt, das in der Geschichte von Samson erwähnt wird. Als Samson zum Jüngling herangewachsen war, verließ er die heimatlichen Berge und besuchte die Städte der Philister. Dort verliebte sich Samson in die Tochter eines Philisters aus Timna. Er überwand die Einwände seiner Eltern und durfte die Frau heiraten. Auf dem Weg zur Brautwerbung nach Timna entfernt sich Samson von der Begleitung seiner Eltern. Er begegnet einem Löwen: „Da kam der Geist des Herrn über Simson, und Simson zerriss den Löwen mit bloßen Händen, als würde er ein Böckchen zerreißen“. Er findet im Kadaver einen Bienenstock; er nimmt vom Honig und teilt ihn mit seinen Eltern, ohne dessen Herkunft zu verraten.
Johann Bayer bediente sich zur Erstellung seiner astronomischen Veröffentlichungen mehrerer Quellen. Die älteste war der Almagest von Ptolemäus. Daneben besaß er Aufzeichnungen des dänischen Astronomen Tycho Brahe, der über Jahre hinweg genaue Sternpositionen am Nordhimmel bestimmt hatte. Brahes Sternkatalog wurde erst 1602 in Druckform herausgegeben, jedoch waren zuvor handschriftliche Exemplare in Umlauf, von denen Bayer offensichtlich eines besaß. Daneben führte Bayer eigene Beobachtungen durch. Für den südlichen Sternhimmel bediente er sich der Aufzeichnungen des niederländischen Navigators Pieter Dirkszoon Keyser und von Pedro de Medina.
1752 benannte Nicolas Louis de Lacaille auf seiner 1756 veröffentlichten Planisphere des Étoiles Australes das Sternbild in La Mouche um, latinisiert Musca auf dem Coelum Australe Stelliferum, welcher erst postum 1763 veröffentlicht wurde. Später heißt sie auch Musca Australis in Abgrenzung zur Musca Borealis im Widder nach Johannes Hevelius, die, wie oben beschrieben, auf Keysers und de Houtmans Biene zurückgeht.
Als die nördliche Fliege aus den Atlanten verschwand, wurde aus der südlichen Fliege (Musca Australis) schlicht Fliege = Musca.
2 Das Sternbild
Musca Genitiv: Muscae Abk.: Mus dt.: Fliege
Die Fliege ist ein kleines, aber gut erkennbares Sternbild direkt südlich des Kreuzes des Südens. Sie enthält einen auffälligen Stern 2. Größe und ein kompaktes Trapez aus nur wenig schwächeren Sternen. Durch das Sternbild zieht sich das Band der Milchstraße. Auffällig ist eine ausgedehnte Dunkelwolke, der Kohlensack, dessen südlicher Teil in die Fliege hineinragt. Im Prismenfernglas bietet die Himmelsregion um die Fliege einen prächtigen Anblick. Um diesen zu genießen, muss man sich aber bis zum 14ten Breitengrad nach Süden begeben. Erst von da ab ist es vollständig sichtbar; es kulminiert um den 31. März um Mitternacht. Seine Fläche von 138 Quadratgrad erstreckt sich in RA von 11h19m26s bis nach 13h51m08s und in Dec von -75°41´46“ bis auf -64°38´17“ hoch. Seine Nachbarn sind von Nord im Uhrzeigersinn Kreuz des Südens, Centaur, Schiffkiel, Chamäleon, Paradiesvogel und Zirkel. Das kleine Sternbild beherbergt mehrere helle Sterne, jedoch ohne Eigennamen, und mehrere interessante Objekte.
2.1 Die Sterne
α Mus ist mit 2m69 der hellste Stern. Er gehört der Spektralklasse B2IV-V an und sein bläuliches Licht kommt von einer rund 23.000 K heißen Photosphäre aus der Position α 12h37m08s / δ -69°08´7,9“ und über eine Distanz von 306 Lichtjahren zu uns. α Muscae ist ein blauer Überriese mit der 20.000fachen Leuchtkraft unserer Sonne und pulsiert leicht, wobei sich seine Helligkeit über einen Zeitraum von nur 2 Stunden und 12 Minuten um etwa 1 % verändert. Er gehört zum Typ der Cepheiden. In einem Abstand von 2600 AU befindet sich ein 12m8 lichtschwacher Begleitstern in einem Winkelabstand von 29,6“, der ihn in 45.000 Jahren einmal umkreist.
β Mus hat eine Gesamthelligkeit von 3m04 und sein bläuliches Licht verrät uns einen B2V-Spektraltypen mit 24.000 K Oberflächentemperatur. Es erreicht uns erst nach 311 Jahren Reisezeit bei einer Ausgangsposition von α 12h46m16,9s / δ -68°06´29,1“. β Muscae ist auch ein Doppelsternsystem. Die beiden Komponenten, 3m7und4m0 hell, gehören den Spektralklassen B2 und B3 an. Um das System in Einzelsterne aufzulösen, benötigt man ein mittleres Teleskop, da der Winkelabstand nur 1,4“ beträgt.
γ Mus ist mit 3m84 erst fünfthellster Fliegenstern, aber auch er ist ein bläulich leuchtender B5V-Spektraltyp mit rund 20.000 K Oberflächentemperatur. Seine Position ist α 12h32m28,1s / δ -72°07´58,7“. Von dort braucht das Licht 324 Jahre bis zu uns.
δ Mus gehört zur Spektralklasse K2III mit einer Oberflächentemperatur von rund 4500 K und leuchtet in orange 3m61 hell über eine Entfernung von 91 Lichtjahren von der Position α 13h02m15,8s / δ -71°32´55,7“.
ε Mus steht auf der Position α 12h17m34.6s / δ -67°57´38,4“ und leuchtet variabel als halbregelmäßig Veränderlicher mit einer Periode von 40 Tagen zwischen 4m0 und 4m3 als M5III-Stern in orangerot von der rund 3000 K heißen Sternoberfläche eines Riesensterns über eine Entfernung von 302 Lichtjahren.
μ und λ Mus bilden einen weiten optischen Doppelstern im Nordosten des Sternbildes Fliege. My ist mit 4m75 der lichtschwächere, zur Spektralklasse K4III gehörende Stern in 432 Lichtjahren Entfernung, während Lambda mit 3m6 nicht nur deutlich heller, sonders als A7III-Typ mit 8500 K auch wesentlich heißer ist und mit 128 Lichtjahren auch einen deutlich geringeren Abstand zu uns hat. Stellt man ihre mittlere Position von α 11h46m54,9s / δ -66°45´19,2“ im Teleskop ein, kann man den schönen orangerot / weißen Farbkontrast beider Sterne genießen.
η Mus befindet sich auf der Position α 13h15m15s / δ -67°53´40,4“, leuchtet bläulich mit 4m8 von der 14.000 K heißen Photosphäre eines B8V-Sterns aus 406 Lichtjahren Entfernung.
Nova Muscae 1991 (GU Muscae, GRS 1124-683) 1991 flammte im östlichen Teil des Sternbildes nahe der Grenze zum Chamäleon eine Nova auf. (Es folgt: Zitat aus https://interstellarium.com/de/astronomie/sternbilder/fliege/)
Nova Muscae 1991 ist ein binäres System, das einen Schwarzlochkandidaten enthält. Es ist eines der wenigen Schwarzlochsysteme, die als Röntgen-Novae klassifiziert sind, die gelegentlich Ausbrüche von Röntgenstrahlen zusammen mit sichtbarem Licht und anderen Energieformen erzeugen. Die beiden Sterne umkreisen sich mit einem Zeitraum von 10,4 Stunden und liegen etwa 3,2 Millionen Kilometer auseinander. In einem System wie diesem zieht das schwarze Loch Gas von der Oberfläche des Begleitsterns, und das Gas bildet eine Akkretionsscheibe um das schwarze Loch. Im Falle einer Röntgen-Nova ist der Gasstrom recht langsam und dünn, und die Scheibe um das Schwarze Loch bleibt relativ kühl. Ein Teil des Gases fällt auch in das schwarze Loch. Das Schwarze Loch in Nova Muscae 1991 hat die siebenfache Sonnenmasse, während der Begleitstern drei Viertel der Sonnenmasse und ein Drittel der Sonnenhelligkeit hat. Die äußeren Schichten des Sterns wurden wahrscheinlich durch die Supernova-Explosion, die das Schwarze Loch verursachte, weggeblasen. (Zitatende)
2.2 Deep Sky Objekte
Der Kohlensack ist eine ausgedehnte Dunkelwolke in 600 Lichtjahren Entfernung. Er gehört aber überwiegend zum Sternbild Crux und ragt nur mit einem kleinen südlichen Teil in das Sternbild Fliege. Da der Kohlensack aber sehr markant ist, eignet er sich, ebenso wie das Kreuz des Südens, sehr gut zum Auffinden der Fliege. Seine mittlere Position ist RA 12h50m / Dec -62°30´. Es handelt sich hier um zwei sich überlagernde Dunkelwolken, deren vordere, wie oben bereits erwähnt, eine Entfernung von 600 Lichtjahren zu uns aufweist, während die hintere noch einmal 140 Lichtjahre tiefer im Raum steht. Die Gesamtwinkelausdehnung beträgt 7° x 5°, was etwa 70 x 50 Lichtjahren entspricht.
NGC 4833 ist ein 7m4 heller Kugelsternhaufen in 19.000 Lichtjahren Entfernung. In einem mittleren Teleskop kann der Randbereich in Einzelsterne aufgelöst werden. Er befindet sich auf der Position RA 12h59m35s / Dec -70°52´28,6“ und hat eine Winkelausdehnung von 13,5 Bogenminuten und die Konzentrationsklasse VIII (Klassifizierungs-system nach Shapley-Sawyer für Kugelsternhaufen). Er wurde von Nicolas Louis de Lacaille am 17. März 1752 während seines Aufenthaltes in Kapstadt entdeckt. Zum Auffinden eignet sich der sehr nahe stehende helle Stern Delta Muscae.
NGC 5189, ein 9m7 heller Planetarischer Nebel, ist die abgestoßene Gashülle eines Sterns in einer Entfernung von 2.600 Lichtjahren auf der Position RA 13h33m32,9s / Dec -65°58´26,6“. Der helle Teil des Nebels besitzt eine ungewöhnliche längliche, S-förmige Struktur, die bereits in einem kleinen Teleskop erkennbar ist. Der gesamte Nebel weist eine Winkelausdehnung von 2,33´x 2,33´ auf. Der Zentralstern ist nur 20m0 lichtschwach und hat die Katalogbezeichnung HD117622. Dieses Leuchten erreicht uns nach 3.000 Jahren und wurde am 1. Juli 1826 von James Dunlop entdeckt.
IC 4191 ist ein weiterer planetarischer Nebel im Sternbild Fliege, der im Jahr 1907 von der Astronomin Williamina Fleming entdeckt wurde. Seine heutigen Koordinaten sind: RA 13h8m47,5s / Dec -67°38´35“. Auch hier weist die Struktur der auseinander driftenden Gaswolken eine ungewöhnlich längliche Form auf. Um den Zentralstern befindet sich eine helle, noch dichte und dadurch scheinbar erst vor astronomisch kurzer Zeit abgestoßene Hülle.
NGC 4372 zählt mit 8m0 zu den hellen Kugelsternhaufen und liegt an der „Musca Dark Cloud“, auf Deutsch: Musca-Dunkelwolke. NGC 4372 gehört der inneren galaktischen Scheibe an. Nach Harris (2003) ist er 23.000 Lj vom galaktischen Zentrum entfernt und 19.500 Lj vom Sonnensystem. Seine Ausdehnung ist schwer abzuschätzen, weil die Fülle der Milchstraßensterne kaum die Außengrenze erahnen lässt. Kukarkin (1974) gibt 18,6′ an. Damit lässt sich ein echter Durchmesser um 100 Lj berechnen, was bei Kugelsternhaufen im Durchschnitt gut passt. NGC 4372 ist einzigartig, weil er (im Gegensatz zu den meisten anderen Kugelsternhaufen) nur eine Sternpopulation enthält, die dazu noch sehr metallarm ist. In seiner Nähe befindet sich der helle Stern Gamma Muscae.
2.3 Sonstiges
Literaturhinweise:
- Internet Astronomie.de Anette u. Holger Manz
- Vorstellung der Gestirne/Himmelsatlas Johann Ehlert Bode
- Sternbilder von A – Z Antonin Rükl
- Die großen Sternbilder Ian Ridpath
- POLARIS z. B. Nr. 103, 114 E.-Günter Bröckels
- Taschenatlas der Sternbilder Josef Klepesta/Antonin Rükl
Quellenangaben der Abbildungen:
- Bild 01: https:www.flickr.com/photos/usdagov/8674435033/sizes/o/in/photostream/Wikimedia Commons, public domain
- Bild 02: J. E. Bodes Sternatlas 1782 Vorstellung der Gestirne auf XXXII Tafeln, Replik; Ausschnitt aus Tafel XIV Sternbildgrenzen nachcoloriert
- Bild 03: Ausschnitt aus J. E. Bodes Uranographia M DC XXXXVIII (1648) Bild Nr. 29 Nachdruck 1801 Berlin, Deutsches Museum München urn.nbn.de:bvb:210-03-001560890-5
- Bild 04: https://www.allthesky.com/constellations/crux/big.jpg; Cerro Tololo, S. Kohle, T. Credner Allthesky.com
- Bild 05: https://www.allthesky.com/constellations/cru135-d.html
- Bild 06: https://cdn.spacetelescpe.org/archives/images/screen/potw1651a.jpg; ESA/hubble and NASA
- Bild 07: Wikimedia Commons https://dewiki.de/b/11308e; NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScl/AURA)
- Bild 08: https://www.astronomie.de/aktuelles-und-neuigkeiten/astrofoto-der-woche/kurzübersicht-archiv/detailseite/28-woche-deep-sky-im-Sternbil-musca/Anette und Holger Manz
- Bild 09: Ausschnittvergrößerung aus Sternbilder von A-Z, Seite 153 ISBN 3-7684-2859-1
Die Serie der Sternbildbeschreibungen wird fortgesetzt.